Bayerisch-böhmische Bahninfrastruktur-Offensive
München, 02.04.2015Bayerisch-böhmischen Bahninfrastruktur-Offensive - Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann und Tschechiens Verkehrsminister Dan Tok zu grenzüberschreitenden Verkehrsprojekten: Vierte grenzüberschreitende Strecke bei Selb - Elektrifizierung der Hauptachsen über Schirnding und Furth im Wald
+++ Mit einer bayerisch-böhmischen Bahninfrastruktur-Offensive wollen die beiden Nachbarländer in den nächsten Jahren die Weichen für einen attraktiveren grenzüberschreitenden Zugverkehr stellen. Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann hat dazu bei seinem ersten Treffen mit dem neuen tschechischen Verkehrsminister Dan Tok in Prag ein Drei-Komponenten-Paket für den Ausbau auf bayerischer Seite vorgestellt. Dies beinhaltet den Bau einer vierten grenzüberschreitenden Strecke bei Selb sowie die Vorplanungen für die Elektrifizierung der beiden Hauptachsen über Schirnding und Furth im Wald. "Unsere Ausbaupläne sind Ergebnis der intensivierten Beziehungen zwischen Bayern und Tschechien. Wir sind uns einig, dass wir beim Ausbau der Bahninfrastruktur dringend schneller vorankommen müssen. Denn seit dem Fall des Eisernen Vorhangs vor einem Vierteljahrhundert konnten bisher nur kleine Maßnahmen realisiert werden", erklärte Herrmann. Tok begrüßte die Pläne Bayerns ausdrücklich und informierte über die tschechischen Pläne: "Auf tschechischer Seite wird gegenwärtig der Abschnitt Prag-Pilsen modernisiert. Nach Abschluss der Bauarbeiten am Eisenbahnknoten Pilsen und der Fertigstellung des Tunnels Ejpovice wird sich die Fahrzeit auf dieser Strecke um bis zu zehn Minuten verkürzen. In den weiteren Jahren rechnen wir auch mit der Elektrifizierung des weiteren Abschnitts von Pilsen über Domazlice nach Furth im Wald. Ziel ist eine hochwertige Bahnverbindung zwischen Prag und München, die mit dem Straßenverkehr konkurrieren kann." +++
Bayern will die erstmals vom Landtag für Vorplanungen von EU-Kernnetz-Strecken zur Verfügung gestellten Landesmittel für die Elektrifizierung der Strecke Regensburg – Schwandorf – Furth im Wald – Grenze einsetzen. Der Freistaat hat hierfür bei der EU einen Antrag auf 50-prozentige Förderung gestellt. Mit einer dadurch erwarteten Verdoppelung der Summe auf zwölf Millionen Euro soll die DB Netz AG im Auftrag des Bayerischen Verkehrsministeriums bis zum Jahr 2017 die Vorplanungen umsetzen. "Uns sind umfangreiche Verbesserungen der Bahnverbindungen zwischen Bayern und Böhmen so wichtig, dass wir nunmehr auch Landesmittel einsetzen, obwohl in Deutschland der Bund für die Schieneninfrastruktur zuständig ist", betonte Herrmann. Vor allem könne dadurch Synchronität und Gleichrangigkeit hergestellt werden bei den beiden Hauptverbindungsstrecken zwischen den Nachbarn.
Die zweite Komponente des Ausbaupakets sind die Vorplanungen zwischen Marktredwitz und Nürnberg, nachdem die Vorplanungen von Hof zur Grenze bei Schirnding über Marktredwitz in den vergangenen Jahren durchgeführt wurden. "Es ist sehr erfreulich, dass Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hierfür vor wenigen Wochen grünes Licht gegeben hat und der Bund mit der DB Netz AG eine Vereinbarung zur Vorplanung nach Nürnberg abgeschlossen hat. Die DB führt noch in diesem Jahr die Grundlagenermittlung durch. Der Ausbau der Franken-Sachsen-Magistrale ist für Bayern sowohl mit Blickrichtung Sachsen als auch Tschechien von sehr hoher Bedeutung", bemerkte Herrmann. Er machte deutlich, dass Bayern alles daran setzen werde, beide Hauptachsen nach Tschechien und den Ausbau der Bahnstrecken zwischen Regensburg und Hof sowie zwischen Nürnberg und Schwandorf im kommenden Bundesverkehrswegeplan zu verankern. "Mit einem Ausbau in diesem Vierklang würde an dieser Nahtstelle in Europa ein zukunftsträchtiges Schienennetz entstehen, von dem nicht nur die Regionen entlang der Strecken profitieren", so Herrmann.
Bereits auf der Zielgeraden befindet sich der Eisenbahn-Lückenschluss zwischen Selb-Plößberg und Asch als dritte wichtige Komponente. Auf tschechischer Seite haben die Bauarbeiten bereits vor zwei Monaten begonnen, in Oberfranken werden sie noch in diesem Monat starten. Wenn eventuelle Klagen keinen Erfolg haben, sollen die ersten Nahverkehrszüge auf dieser grenzüberschreitenden Strecke ab kommenden Dezember rollen und erstmals nach vielen Jahren wieder Direktverbindungen zwischen den Partnerstädten Hof und Eger anbieten. Die Entscheidung, welches Bahnunternehmen dann zwischen den beiden Orten verkehren wird, soll im Juni fallen. Die Investitionskosten für die Streckenreaktivierung werden länderübergreifend, inklusive der Kosten für in diesem Zusammenhang anfallende Straßenbaumaßnahmen und Park&Ride-Projekte, bei rund 20 Millionen Euro liegen. "Dann wird es vier Bahnstreckenverbindungen zwischen Bayern und Böhmen geben. Diese Strecken haben damit nicht nur einen verkehrlichen, sondern auch hohen symbolischen Wert", betonten beide Minister. Sie erklärten unisono, bei der Jungfernfahrt eines Nahverkehrszugs auf der reaktivierten Strecke im Dezember an Bord sein zu wollen. Die Strecke war erstmalig vor 150 Jahren in Betrieb genommen worden, seit Ende des Zweiten Weltkriegs vor 70 Jahren gab es keinen Personenverkehr mehr.
Zusätzlich vereinbarten beide Minister noch eine weitere Verbesserung im grenzüberschreitenden Schienenpersonennahverkehr, die zum nächsten Fahrplanwechsel im kommenden Dezember greifen soll. Demnach werden im tschechischen Eger die Anschlüsse nach Karlsbad für Bahnreisende von Nürnberg in den schnellen Neigetechnik-Expresszügen verbessert. Künftig wird es dort einen unmittelbaren Anschluss geben. Bisher mussten die Fahrgäste rund eine Stunde am Bahnhof in Eger auf den Anschlusszug warten. "Damit wird das wichtige touristische Reiseziel Karlsbad von Nordbayern aus deutlich attraktiver mit dem Zug erreichbar sein", erklärte Herrmann.
Auch der weitere Ausbau der Straßenverbindungen zwischen beiden Ländern bildete ein wichtiges Gesprächsthema der beiden Minister, zumal über den Straßenverkehr auch mittel- bis langfristig der meiste Verkehr zwischen den beiden Nachbarländern laufen wird.