Halbjahresbericht zum Verfassungsschutz: Wichtige Erkenntnisse über prorussische "Doppelgänger"-Kampagne
München, 12. August 2024 (stmi). „Auch in den ersten sechs Monaten dieses Jahres versuchten Extremisten aller Ausrichtungen unseren Staat und unsere Demokratie ins Wanken zu bringen. Die Spannweite reicht dabei von rechtsextremistischen „Remigrations“-Fantasien über unerträglichen Antisemitismus, der sowohl von Rechts- und Linksextremisten als auch von Akteuren des auslandsbezogenen Extremismus ausgeht, bis hin zu Morden auf offener Straße aus religiöser Verblendung.“ So das Fazit von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann bei der Vorstellung der Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2024. „Wegen dieser vielfältigen Herausforderungen haben wir unser Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz personell weiter verstärkt.“
Umfangreichere Spionageaktivitäten und Desinformationen im Cyberraum
Eine besorgniserregende Entwicklung sieht Herrmann in immer umfangreicheren Spionageaktivitäten und Desinformationen im Cyberraum als auch in der realen Welt. „Ganz aktuell ist es unserem Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz gelungen, durch detaillierte technische Analysen wichtige neue Erkenntnisse über die Vorgehensweise der prorussischen Desinformationskampagne "Doppelgänger" zu gewinnen“, erklärte Herrmann. Die Kampagne versuche mittels täuschend echt aussehender Online-Portale oder Webauftritte bekannter Medien russische Narrative zu verbreiten, um durch bewusste Falschinformationen im Internet und über Social Media demokratische Werte in Frage zu stellen. Mit den Detailanalysen werde laut Herrmann deutlich, wie die Verantwortlichen Desinformation systematisch erstellen, international verteilen und sich dabei dynamisch der verändernden politischen Lage anpassen. „Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Baustein im Kampf gegen Desinformationsnetzwerke. Aber auch jeder einzelne kann dazu beitragen, Desinformationen zu benennen und fragwürdige Inhalte nicht weiterzuverbreiten“, ergänzte der Innenminister.
Die Erkenntnisse des Bayerischen Landesamts stehen zum Download bereit: hier gehts zur Management Fassung sowie zur Vollanalyse.
Erhöhte Gefährdungslage durch islamistischen Terrorismus
Die anhaltende Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus bestimmt laut Herrmann maßgeblich die Sicherheitslage in Deutschland und Europa. Vor allem das Erstarken des Ablegers „Islamischer Staat – Provinz Khorasan“ (ISPK) sei für die aktuell erhöhte abstrakte Gefährdungslage verantwortlich. Dessen Propagandaorgane riefen verstärkt zu Anschlägen auf, wobei auch Bayern im Zielspektrum liege, wie beispielweise eine Drohbotschaft, die sich gegen die Fußball-Europameisterschaft richtete und auch die Münchner Allianz Arena als mögliches Anschlagsziel zeigte, belegte.
Herrmann: Bundesregierung muss Kampf gegen islamistischen Terror konsequenter führen
Der Minister zeigte sich dankbar, dass die Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und Bayern so friedlich verlaufen ist: „Dies haben wir auch den bayerischen Sicherheitsbehörden zu verdanken, die vier Wochen lang rund um die Uhr stark gefordert waren.“ Die Bundesregierung forderte Herrmann auf, den Kampf gegen den islamistischen Terror mit der gleichen Konsequenz zu führen, wie den Kampf gegen Rechtsextremismus. „Sie muss deutlich mehr unternehmen, dass ausländische Straftäter und Gefährder konsequent außer Landes gebracht werden können.“
Null Toleranz gegenüber antisemitischen Auswüchsen
Über welche hohe Mobilisierungskraft der auslandsbezogene Extremismus in Deutschland verfügt, zeigt sich laut Herrmann seit dem 7. Oktober 2023 an der Aggressivität, die viele der pro-palästinensischen Demonstrationen kennzeichneten, in anderen Bundesländern deutlich mehr als in Bayern. „Trotz aller ideologischer Unterschiede ist der Hass auf Israel und jüdische Mitbürger der gemeinsame Nenner sowohl für pro-palästinensische Extremisten als auch für türkische Rechts- und Linksextremisten – letztere im Schulterschluss mit deutschen Linksextremisten“, erläuterte Herrmann. Der Minister kündigte an: „Die Bayerische Staatsregierung tritt jeglichen antisemitischen Auswüchsen mit Null-Toleranz und allen Mitteln des Rechtsstaats konsequent entgegen.“
Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene hoch
Die linksextremistische Antifa-Szene richtete ihren Aktivismus im Vorfeld der Europawahl vor allem gegen Protagonisten und Veranstaltungen der AfD, die sie als Hauptverantwortliche für einen angeblichen Rechtsruck der Gesellschaft brandmarkt. Die von bürgerlichen Bündnissen getragenen bundesweiten Großdemonstrationen gegen Rechtsextremismus Anfang des Jahres habe die Szene genutzt, um Präsenz zu zeigen und um Akzeptanz für ihre Positionen und Ideologie in der Mitte der Gesellschaft zu generieren. „Nach wie vor ist auch die Gewaltbereitschaft der linksextremistischen Szene, die sich in erster Linie gegen tatsächlich oder auch nur vermeintliche Rechtextremisten richtet, unverändert hoch“, so der Minister.
Vermehrte Aktivitäten der Reichsbürger- und Selbstverwalter-Szene
Innerhalb der Reichsbürger und Selbstverwalter-Szene stellt das sogenannte „Königreich Deutschland“ (KRD) eine der bundesweit bedeutendsten Gruppierungen dar. „Seit Ende 2022 sind auch in Bayern vermehrt Aktivitäten zu verzeichnen“, erklärte Herrmann.
Vernetzung der AfD in das extremistische Vorfeld nimmt zu
Das Verwaltungsgericht München hat die Klage der AfD gegen die Beobachtung und Berichterstattung in seinem Urteil vom Juli 2024 abgewiesen. Damit darf das BayLfV die AfD als Gesamtpartei beobachten und die Öffentlichkeit darüber sachlich informieren. „Darüber hinaus hat das Landesamt für Verfassungsschutz festgestellt, dass die Vernetzung der AfD in das extremistische Vorfeld quantitativ und quantitativ zugenommen hat“, erläuterte der Minister und wies auf das Zusammenwirken mit der „Identitären Bewegung“ sowie mit der seit kurzem bundesweit verbotenen „Compact Magazin GmbH“ hin. Auch die Partei der „Der Dritte Weg“ steht im Fokus der Verfassungsschützer. Hier sei mit der „Nationalrevolutionären Jugend“ eine deutliche Verstärkung bei der Jugendarbeit unter anderem mit gemeinsamen Freizeit- und Sportaktivitäten, wie Kampfsporttrainings zu verzeichnen. Ziel ist es, vor allem junge Männer an die Partei zu binden und schleichend ideologisch zu indoktrinieren.